Induktive Bauteile
und andere Gemeinheiten
das ist nicht akademisch!

TrägheitZur Erläuterung des Verhaltens von Induktivitäten brauche ich eine Analogie aus der Hydraulik. Das Bild zeigt eine lange Wasserleitung, an deren Ende ein schnell schließendes Ventil angebracht ist.

Normalerweise fließt das Wasser im Rohr mit einer bestimmten Geschwindigkeit, die vom Druck (elektrisch = Spannung) und vom Rohr-Widerstand bzw. von der Verbraucher-Düse abhängig ist. Die Fließgeschwindigkeit in Liter/sec entspricht in der elektrischen Analogie der Stromstärke. Das ist nichts Besonderes, das Ohm’sche Gesetz, angewandt auf die Hydraulik.

Was passiert aber, wenn das Ventil am Ende schlagartig geschlossen wird, die Strömung unterbrochen? Knapp vor dem Ventil entsteht ein Druck-Stoß, weil die Trägheit der bewegten Wassersäule wie ein Zug aus mehreren Waggons wirkt, der an den Puffer im Kopfbahnhof auffährt.

AbschaltspitzeDer Druck - Stoß ist in der elektrischen Analogie eine Spannungsspitze, die entsteht, wenn der Stromkreis durch eine Spule schlagartig unterbrochen wird. Die Trägheit der Energie - speichernden Induktivität hat die gleiche Wirkung wie die Trägheit der fließenden Wassersäule mit ihrer Bewegungsenergie.

In der Hydraulik hilft man sich dadurch, daß man das schlagartige Schließen des Ventils mit einem Handrad bremst, das nicht sofort geschlossen werden kann. Wenn, wie bei einem Düker einer Pipeline (bei einer Fluß-Unterquerung) das Ventil trotzdem schnell geschlossen werden muß, dann ist eine Überlaufkammer notwendig, in die das träge Erdöl ausweichen kann, um seine Energie langsam abzubauen. Die Überlaufkammer ist mit einer Sollbruchmembrane von der Pipeline getrennt.

RC-GliedDem „Volumen“ der Überlaufkammer entspricht in der Elektrotechnik ein Kondensator, der die Energie aus der Spule so aufnimmt, daß keine hohe Spannungsspitze entsteht. Der Strom-Abbau wird dadurch gebremst.

Dabei entsteht aber ein Schwingkreis zwischen Spule und Kondensator, und die Energie würde lange Zeit zwischen den beiden Bauelementen hin und her pendeln. Zum schnelleren Abbau der Energie ist der Widerstand eingebaut.

In Wirklichkeit würde ein Widerstand allein auch genügen, um die „unendlich“ hohe Spannungsspitze zu begrenzen. Der Widerstand muß nur so dimensioniert werden, daß er bei der Stromstärke, die vorher durch die Spule geflossen ist, die gewünschte Spitzen-Spannung aufbaut. Beispiel: 24V= Batterie, der Laststrom war vor dem Ausschalten 1A. Mit einem 200W - Widerstand wird die Spannungsspitze auf ungefähr 200V begrenzt. Da der Strom durch die Spule um den Strom durch den Widerstand erhöht war (24V/200W = 0,12A), mußte ich „ungefähr“ schreiben. Der Widerstand allein hat den Nachteil, daß er dauernd Strom verplempert, deshalb ist die Kondensatorschaltung mit dem RC-Glied besser.

Der Widerstand allein erlaubt der Spule, ihren „Trägheits-Strom“ aufrecht zu erhalten (genau: langsam abzubauen), ohne dafür eine unendlich hohe Spannungsspitze (Druckspitze) erzeugen zu müssen. Wie viel Arbeit der Widerstand vernichten muß, das ist eine Frage der Energie, die in der Induktivität gespeichert ist. Sie ist
  1/2 * I2  * L  in Ws (Wattsekunden = Joule)   Ampere, Henry
und die muß der Widerstand vernichten können, ohne dabei zu verglühen. Wegen des verflixten I2 sterben auch so viele Geräte nach einem Kurzschluß, nachdem die Sicherung des Delinquenten abgeschaltet hat, und die anderen dürfen’s ausbaden. Wo ist da die Induktivität? Im Transformator des EVU (Streuinduktivität) und in den Zuleitungen!

Die Spitzenspannung, die mit dem Dämpfungswiderstand erzielt wird, ist relativ leicht mit dem Strom zu berechnen, aber wie geht das mit dem Kondensator? Da hilft die Energie - Rechnung: wie hoch lädt sich der Kondensator auf, wenn man ihm die gesamte Energie aus der Spule hineischaufelt? Die Energie in einem geladenen Kondensator berechnet sich aus
 1/2 * U2 * C   in Ws Volt, Farad
und dadurch ist auch das ganz einfach, die erforderlichen (nano)Farad zu berechnen, wenn man weiß, welche Spitzenspannung gerade noch erlaubt ist. Etwas schwieriger ist es in der Praxis, die Induktivität der Spule zu erfahren (siehe unten).

Tatsächlich ist die Spitzen-Spannung um den Betrag aus dem Dämpfungswiderstand höher, aber der ist meistens vernachlässigbar klein. Bei der obigen Schaltung ist dazu noch die Batteriespannung zu addieren, aber wir sprechen ja von der Spannungsüberhöhung. Die Begrenzung der Abschalt - Spannungsspitze ist notwendig, um den Konttakt zu schonen, sonst würde ein Lichtbogen stehen bleiben oder nach dem Öffnen noch einmal ein Überschlag passieren. Noch kritischer ist das mit Halbleiterschaltern.

Die Energie ist physikalisch genau das gleiche wie Arbeit, den Begriff verwendet man üblicherweise mit der Zusatz-Bedeutung von gespeicherter Arbeit.
Ws = Nm

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Überschlägige Berechnung der Induktivität einer Spule

Nehmen Sie einen Leistungsschütz mit einer 220V - Spule. Aus dem Datenblatt können Sie lesen, daß seine Halte-Leistung zB. 20VA beträgt (das ist ungefähr ein 20kW - Schütz). Der Magnetisierungsstrom ist also 20/220 = 0,09A und der Blindwiderstand ist 220/0,09 = 2420W.
   Z = w * L    (wobei   w =  2 * 50 * p  = 314)
ergibt das 7,7 H als Induktivität der Schützspule. Die gespeicherte Energie ist  0,5*0,092*7,7=0,032 Ws.

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Das ist nicht ganz korrekt, weil nicht die ganze Scheinleistung wirklich Blindleistung ist, wahrscheinlich ist die Induktivität nur 5 bis 6 H groß, aber da liegen wir in der sicheren Richtung. Bei Motoren oder anderen Verbrauchern, bei denen mehr Wirkleistung auftritt, muß die Induktivität mit dem sin j multipliziert werden (der cos j ist der Wirkleistungsfaktor). Im groben Beispiel oben habe ich cos j = 0 und daher sin j = 1 angenommen.

Mit einem 255nF - Kondensator wird die Spitzenspannung auf 500V begrenzt, also werden Sie einen 220nF - Kondensator mit einem 100W - Widerstand einsetzen, das reicht vermut-liich. Der 100W - Widerstand erzeugt zusätzliche 0,09*1100 = 9V und die sind in diesem Fall vernachlässigbar. Außerdem haben wir schlampigerweise nicht berücksichtigt, daß der Schütz gerade im Strom-Maximum abgeschaltet werden kann, aber auch 750 oder 1000V sind für den Relais-Kontakt noch kein Drama.
Ein Glühlämpchen mit 220V 2,4W parallel zur Schützspule würde den Strom von 0,09A nicht vertragen, den die Spule beim Abschalten hineinjagt, sein Nennstrom ist nur 0,01A. Faustformel: die Birne muß mindestens die gleiche Leistung haben wie die Schützspule.

Wieso die Induktivität die Spannung umpolt.

UmpolungDie Induktivität ist ein Energiespeicher, vergleichbar mit der trägen Flüssigkeit im Rohr. Beim Abschalten (Unterbrechung des Stromes) unternimmt sie alles, um den Stromfluß aufrecht zu erhalten. Von der Energie - Betrachtung her wird sie daher zur Energiee - Quelle. Da die Stromrichtung aus Trägheit beibehalten wird, polt sie abrupt die Spannung um, um die Energie an den (gedachten, doch irgendwo vorhandenen) Widerstand abzugeben. Der Widerstand ist meistens nur der Funken im Schalter, aber das würde die Betrachtung zu kompliziert machen, deshalb habe ich den Widerstand symbolisch eingezeichnet. Das Meßinstrument schlägt nach links = Minus aus. Das ist auch der Vorgang, den die Signallampe an der Schützspule erlebt.

Der Unterschied zu den oberen Schaltplänen besteht darin, daß nun die Spule als Verbraucher geschaltet ist, nicht mehr als „Innenwiderstand“ der Spannungsquelle.

RC-GliedDie Spannungs - Spitze kann mit der bewährten RC - Kombination niedrig gehalten werden. Da wird eine zweite wichtige Funktion des Dämpfungswiderstandes erkennbar: Beim Einschalten müßte die Spannungsquelle und der Schalter den enorm hohen Ladestromstoß des Kondensators aushalten (Fritt-Strom), doch den begrenzt der Dämpfungswiderstand recht wirksam auf einen erträglichen Wert.

Es wäre auch möglich, das RC-Glied über den Schalter zu verdrahten, um dort den Spannungsanstieg und den Funken zu unterdrücken. Das hätte aber den Nachteil, daß der Entleerstrom der Spule über die Spannungsquelle laufen muß und, bei Wechselspannung, daß auch bei offenem Schalter immer ein paar lästige Milliampere über den Kondensator in den Verbraucher fließen. Das ist also keine saubere Technik. Allerdings wird sie bei Transistor-Ausgängen manchmal angewendet, weil sich der Hersteller der Ausgangsbaugruppe nicht darauf verlassen möchte, daß der Elektriker wirklich eine Schutzbeschaltung in den Schaltschrank einbaut, parallel zum Verbraucher.

Diode - REine andere Methode, die Sie schon von weiter oben kennen, ist die reine Widerstandsdämpfung. Bei Gleichstrombetrieb kann eine Diode dafür sorgen, daß der Dämpfungswiderstand im Normalbetrieb keine Energie verplempert sondern nur dann wirksam wird, wenn die Spule die Spannung umpolt, nach dem Ausschalten.

Die Zeitkonstante (Tau) des Stromabfalles ist
   in Sekunden, Henry, Ohm
das ist die Zeit, in der der Strom auf 37% gesunken ist. Nach der 3-fachen t - Zeit ist er auf ca. 5% gesunken, dann ist auch der „klebrigste“ Schütz oder das Relais mit der größten Hysterese abgefallen.. Mit einem Oszilloskop und einem Widerstand können Sie übrigens so ganz leicht die Induktivität einer Spule messen.

So wie ein Kondensator mit großer Stromstärke schnell entladen wird, so wird eine Spule mit hoher Spannung schnell entladen.

Die Maßeinheit    Die Maßeinheit 

Es ist sogar möglich, den Widerstand auch noch zu sparen und nur die Diode einzubauen, so verwendet die Schaltung den Kupferwiderstand der Spule als Dämpfungswiderstand und klemmt die Abschaltspannung direkt auf 0V fest. Das führt aber dazu, daß der Strom recht langsam kleiner wird und der Magnet, das Relais, der Schütz mit ein paar hundert Millisekunden verzögert abfallen wird. Und das ist meistens sehr störend!

Genau das passiert auch, wenn Sie eine Magnetspule über einen Gleichrichter vom Netz speisen und auf der Wechselstromseite ausschalten. Die Dioden des Gleichrichters sind so geschaltet, daß sie genau so wie die Klemmdiode wirken. Die Wechselspannungs - Schaltung wird gern verwendet, aber sie hat den Nachteil, daß die Bremse zu spät greift oder der Türmagnet beim Lift zu langsam schließt.

Das Schalten auf der Gleichstromseite hat bei einem Leistungsmagneten seine Tücken. Wir haben da erfolgreich die 3 Schützkontakte eines gewöhnlichen Wechselstrom-Schützen in Serie geschaltet, die halten jahrelang. Zusätzlich ein paar nF Funkenlöscher - RC zur Verlangsamung des Spannungsanstiegs sind dafür allerdings eine wahre Wohltat.
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SIOV - Spannungsbegrenzer

werden auch gerne eingesetzt, um die hohe Abschaltspannung zu klemmen. Aber auch dieses Bauelement muß so groß dimensioniert werden, daß es die gespeicherte Energie verbraten kann. Der SIOV (Metalloxyd-Varistor) funktioniert auch bei Wechselspannung.

Allerdings glättet der SIOV die hohe Steilheit des Spannungsanstiegs nicht, und das führt leicht zu Übersprechen in andere, nahe verlegte Leitungen. Dort finden sich dann die lästigen „Spikes“, die den Computern solche Schwierigkeiten machen. Es gibt Kombinationen von SIOV und RC - Gliedern, aber da muß man schon viel Erfahrung haben, um die richtig und sinnvoll zu dimensionieren.

Wer, übrigens, begrenzt eigentlich die Spannungsspitze ohne künstliche Dämpfungsschaltung? Damit sie nicht unendlich hoch wird? Das ist die Eigenkapazität der Wicklung (ausnahmsweise ein nützlicher Dreckeffekt!) und leider auch die vielen parallel verlegten Leitungen, die das als Störimpuls mitbekommen...
 

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BEIM AUSSCHALTEN STERBEN DIE GERÄTE

StoßspannungDas ist eine ganz einfach gezeichnete Schaltanlage mit einem Hauptschalter, einem Motor (als Spule gezeichnet) mit Schütz und einer Steckdose für den Computer. Solange der Schütz den Motor ein- und ausschaltet, gibt es kein Problem. Wenn aber der Hauptschalter bei laufendem Motor herausfliegt, dann zerstört das den Computer. Die Energie in der Induktivität des Motors ist so groß, daß der Computer gar keine Überlebens-Chance hat. Die Spannungsspitze kann leicht 2000V erreichen und 2-25ms dauern.

Das ist keine exotische Sache, sondern heutzutage ganz normal. Der Computer ist hier nur als Menetekel genannt, es betrifft alle empfindlichen elektronischen Geräte, die harmlos an der Steckdose hängen. Da helfen nur stark dimensionierte SIOV - Varistoren parallel zu den Steckdosen und zumindest eine flinke Sicherung für die Computer.

KurzschlußstromDer weiter oben beschriebene Vorgang beim Kurzschluß hat zwar eine ähnliche Wirkung, aber prinzipiell eine ganz andere Ursache. Dort werden die Geräte außerhalb des kurzgeschlossenen Stromkreises zerstört. Es wirkt die eher kleine Induktivität der Zuleitung, dafür ist der ausgeschaltete Kurzschlußstrom sehr hoch:

Das Gerät an der Steckdose stirbt nicht während des Kurzschlusses, sondern nachdem die Sicherung durchbrennt. Dann liefert die Leitungsinduktivität einen enormen Spannungsimpuls, sie ist vom Kurzschlußstrom mit etlichen Kiloampere aufgeladen worden. Da der Strompfad durch die durchgebrannte Sicherung plötzlich unterbrochen worden ist, sucht sich die Spannung einen anderen Weg, nämlich durch das Gerät an der Steckdose.

Energie = ½ * I2 * L. Ein Glückspilz, wer da eine Blindstrom-Kondensatorbatterie hat, um das wenigstens notdürftig abzufangen...

Natürlich gibt es Elektriker, die keinerlei Funkenlösch - Bauteile einsetzen, und die können auch billiger anbieten. Aber das ist für den Kunden ein Schuß in den Ofen, er wird oft die Relais wechseln müssen und viel Standzeit haben. Und Störimpulse an der SPS und am Computer...

Franz Glaser

Der Käufermarkt - schwarzes Brett für gewerbliche Geschäfte


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